Atelierbesuch

Akte als Farblandschaften (Artikel)

Marlene Dammers liebt den flüchtigen Augenblick, das Plötzliche und Unerwartete. Darauf zu reagieren verlangt ihr ein Höchstmaß an Konzentration und handwerklicher Standfestigkeit zugleich ab. Auf ihren Leinwänden, Pappen und Holztafeln hält die 1950 in Düren geborene Künstlerin Momentaufnahmen fest und bedient sich dabei einer entsprechend kraftvollen Malerei, deren Spuren in Pinselhieben, Schraffuren und Kratzern den flüchtigen Arbeitsprozess erkennen lassen.
„Jede Überlegung zerstört den Charakter des Kunstwerks“, betont Marlene Dammers, die gerne schnell malt und dabei die Techniken der Malerei ausreizt.

Rückenakt mit Schal  - 1998 - Mischtechnik auf Leinwand 154 x 77Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung sind menschliche Körper, Akte und Porträts, die sie meist schemenhaft in starken Konturierungen umreißt, wobei die Höhen und Tiefen der Körperlandschaft durch den spontanen und kraftvollen Farbauftrag allmählich zur energetischen Farblandschaft zusammen wachsen. Marlene Dammers, die an der Pädagogischen Hochschule in Aachen Kunst studierte, als Pädagogin an der Montessori-Grundschule in Odenkirchen tätig ist und in der Waldhausener Straße ihr Atelier hat, nimmt den Akt als Ausgangspunkt ihrer Malerei, um sich im nächsten Augenblick allmählich von ihm wieder zu entfernen. Auf dem Weg vom Figürlichen zum Abstrakten lässt sich der Körper nur noch erahnen. An seine Stelle treten neue abstrakte Formen, Linien und Strukturen, gestisch großzügig und souverän aufgetragene Farbflecke und -flächen, die die Bildfläche in Beschlag nehmen.

Nicht nur in der kraftvollen und kontrastreichen Farbgebung ist die Vorliebe von Marlene Dammers für Expressionisten wie Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff, Edvard Munch und Max Pechstein zu spüren. Auch in der Art, wie sie sich von der restlichen Darstellung der Außenhaut löst und in das innere Wesen der Körper vorstößt, um zu einer neuen abstrakten Farb- und Formensprache zu finden, lehnt sie sich stark an den Expressionismus an. Der Körper ist nicht mehr Haut, Muskeln und Knochen, sondern Ausdruck seelischer Befindlichkeiten. Darüber hinaus schätzt sie zeitgenössische Künstler wie Baselitz und Lüpertz, deren Malgestus sie für eigene Werke inspiriert.

Rückenakte  - 1999 - Acryl und Kreide auf Papier 50 x 70Immer wieder überdeckt sie die Flächen neu, kratzt Farbe ab, läßt Linien-geflechte aufeinanderprallen und überlässt so das Bild sich selber. Auf dem Bildträger entstehen Spannungsfelder, die in Reihungen, Strukturierungen und Ornamenten Verstärkung finden. Dass Marlene Dammers das klassische Handwerk beherrscht, zeigt ein Blick auf frühere Arbeiten. Stilleben, Blumen und Porträts – überwiegend in realistischer Manier gehalten – zeugen vom sicheren Umgang mit der Farbe und lassen ihr geschultes Auge erkennen. Es sind Pflichtübungen, zu denen sie sich hin und wieder zwingt.

Stärker ausleben kann sie sich indes in der abstrakten Malweise, in der Farben und Rhythmen entsprechend ihrer raschen und intuitiven Malweise ihren Niederschlag auf der Leinwand finden. Begleiten läßt sich Marlene Dammers durch Musik. Im Jazz findet die Künstlerin den richtigen Resonanzboden für das, was in ihren Bildern geschieht.