Vortrag Manfred A. Jülicher 2001

Ausstellungseröffnung 3.11.2001
in der Galerie HKV, Niederkrüchten – Elmpt

Meine Damen und Herren!

Wir stellen Ihnen heute Bilder der in Mönchengladbach ansässigen Künstlerin Marlene Dammers vor, die sich nach ihrem Studium in Aachen mit dem Hauptfach Kunst seit 1979 an zahlreichen Gruppenausstellungen beteiligte und seit 1990 ihre Bilder regelmäßig in Einzelausstellungen zeigte.
Alle ausgestellten Bilder datieren aus den letzten drei Jahren, lediglich im 1. Obergeschoss sind die Arbeiten abgerundet durch einige Landschaftsbilder, die 1996 in Contis während einer Studienreise in Südfrankreich entstanden sind. Damit möchten wir die kontinuierliche Entwicklung der künstlerischen Arbeit Marlene Dammers bis hin zu den letzten Arbeiten in 2001 dokumentieren. Die Bildtitel >Waldrand<, >Flussmündung< oder >Haus am Fluss<, überwiegend in realistischer Darstellung wiedergegeben, belegen nachhaltig, dass die Künstlerin auch das klassische Handwerk der Malerei versteht.

Während sich Marlene Dammers parallel zu bestimmten künstlerischen Aussagen immer dem Aktzeichnen widmete als einer der Grundvoraussetzungen für ihre schöpferische Tätigkeit, erhob sie die Aktmalerei spätestens 1998 zu ihrer künstlerischen Zielsetzung. Akt, Sprache und Musik setzten für die dann folgende schöpferische Tätigkeit immer neue und variable Akzente.

Dabei liebt die Künstlerin auf Gestik aufgebautes schnelles Handeln. Ihre Bilder zeigen Spontaneität und unerwartete Intuition, auch noch während des Malprozesses. Auf ihren Leinwänden, Pappen und teilweise großformatigen Papierbildern hält die 1950 in Düren geborene Künstlerin Momentaufnahmen fest und bedient sich dabei einer kraftvollen Malerei, deren Spuren neben einer Art expressiven Malerei gleichzeitig auch den flüchtigen Arbeitsprozess und die jeweilige Stimmung der Künstlerin erkennen lassen, die durch die Auseinandersetzung mit der Literatur des Schriftstellers Ernst Jandl oder der ihr wichtigen Musik nachhaltig beeinflusst wird. So steigert sich die Künstlerin teilweise in einen Bewegungsrausch, in dem Erinnerungsfragmente an die Literatur Ernst Jandls als grafische Schriftspuren ebenso in die Bilder einfließen wie zum Beispiel durch Jazz Musik inspirierte Klangformen. Fast alle Bilder aus dieser Zeit sind Aktdarstellungen, die schriftstellerisch musische Elemente bildnerisch in rhythmische Bewegungsabläufe umsetzen.

Dabei entstehen fast alle Bilder über die Aktzeichnung ob in realistischer oder abstrakter Darstellung, ob in Mischtechnik oder verbunden mit Collagen. Ausgangspunkt ihrer künstlerischen Auseinandersetzung sind in dieser Ausstellung vorrangig Körper, Akte und – das möchte ich besonders hervorheben – neben einigen wenigen realistisch dargestellten Bildern auch ein Selbstporträt, das ich persönlich besonders schätze.

Formal betont Marlene Dammers ihre Figurationen durch stark akzentuierte Konturen, die durch die spontane und intuitive Art der Malweise zu einer für die Künstlerin typischen Einheit verschmelzen. Marlene Dammers nimmt zwar den Akt als Ausgangspunkt für ihre Malerei, jedoch trennt sie sich häufig noch während des Arbeitsprozesses wieder von ihm, wobei sich der Körper auf dem Weg vom Figürlichen zum Abstrakten schließlich nur noch erahnen lässt. An seine Stelle treten neue abstrakte Formen, Linien und Strukturen, gestisch großzügig und souverän aufgetragene Farbflecke und -flächen, die letztlich die gesamte Malerei der Künstlerin während der Schaffensperiode in 1998 kennzeichnen. Typisch dabei auch, wie sich die Künstlerin von der äußeren Form der Aktdarstellungen löst und sozusagen in das Innere der Körper vorstößt, um eine neue abstrakte Farb- und Formgebung zu kreieren.

Immer wieder überdeckt sie die Bildflächen neu, reduziert Farbe bis zur Schwarz-Weiß-Malerei, spielt und komponiert bewusst mit Linieaturen und findet so zu einer überzeugenden Art, sich künstlerisch im Bild mitzuteilen.

1999 entdeckt die Künstlerin einmal mehr während ihres Aktstudiums die Spannungskraft der Bewegungsabläufe ihrer Modelle während der Aktsitzungen. Mit einer Flut von Detailzeichnungen versucht Marlene Dammers die von ihr gezeichneten Modelle in ihren natürlichen Haltungsveränderungen während des Aktzeichnens bildnerisch darzustellen. Das heißt: Die Künstlerin malt in der Folge nicht mehr die Modelle als solche, sondern ihre Bewegungsabläufe, so wie sie sich vor der Künstlerin offenbaren. Gerade diese Art der Darstellung kommt der mit viel Gestik und Intuition verbundenen abstrakteren Malweise Marlene Dammers entgegen. Auffallend dabei auch die Vorliebe für die Farbe rot. Das sind hier in der Ausstellung vorrangig die Bilder im letzten Raum des Obergeschosses, in denen die Suggestivkraft der Farbe rot, gesteigert durch einen oft großflächigen Auftrag, hohe Intensität erreicht. In diesem von mir angesprochenen letzten Raum im Obergeschoss konzentriert sich das Rot signalhaft über die gesamten Kompositionen als Farbe der Vitalität, Kraft und Aggressivität. Die hier ausschließlich dargestellten Akte in ihren auffallend stark hervorgehobenen Konturen sind neben der auffallenden Farbe geprägt von Rhythmus und Bewegungsabläufen und bilden gleichzeitig einen für die Künstlerin typischen zentral gelagerten Kompositionsschwerpunkt. Hier steht die Aktmalerei und der Akt als solcher gezielt im Mittelpunkt der Komposition, ist mit Licht und Schatten gestaltet und vital von Rottönen durchzogen. Das Umfeld ist demonstrativ vernachlässigt als dunkler und geheimnisvoller Raum. Dabei wechseln Realismus bis hin zur klassischen Malerei mit abstrakteren Aktdarstellungen mit flächigen und konturhaften Bewegungsskiz- zen. Gerade diese Bilder zeigen die typische Handschrift der Künstlerin, wie sie die Körper mit rhythmischen Bewegungsabläufen in sich verdreht und als Ganzes gleichzeitig formal in den Bildern darstellt.

In der letzten Schaffensphase, die Mitte des vorigen Jahres die Bildwelt der Künstlerin formal und kompositionell veränderte, entdeckte Marlene Dammers ihre Vorliebe für körperhafte Detailformen, die sie beim weiteren Studium der Aktmalerei an ihren Modellen entdeckte.

Dabei beobachtete sie ihre Aktmodelle sehr genau und malte Detailformen wie Füße, Hände, Körperteile, Kleidungsstücke oder Hinergrundformen, die beim liegenden, sitzenden oder stehenden Aktmodell für die Künstlerin eine besondere Gewichtung hatten. Kleidungsstücke wie Stiefel und zufällig erkannte Hintergrundformen hat die Künstlerin kompositorisch mit in ihre Bilder hineingelesen. Um die Detailformen im Einzelnen gewichten zu können, klebte die Künstlerin Teile aus ihren Bildern ab und kam so zu Bildformen innerhalb ihrer Bilder, was sie schließlich als Stilrichtung weiterverfolgte. Typisches Beispiel ist das Bild genau hinter mir. Diese neuen Bilder der letzten Monate werden ständig übermalt, neu abgeklebt und immer wieder anders strukturiert in die Gesamtheit der Komposition einbezogen wie ein Prozess, der einfach abläuft und letztlich eine ganze Handlung wiedergibt. Selbst die abgeklebten Streifen, die sich aus den unteren Bildrändern ergeben, werden mit in die Komposition gestalterisch einbezogen. Ständige Übermalungen legen Farbmassen frei ohne die Untergrundformen ganz auszulöschen. So ergeben sich mit diesen Farb- und Formspuren und den Abklebestreifen mit ungewollten Überschneidungen interessante Tiefenwirkungen. Es kommt der Künstlerin hier weder auf die detailgenaue Darstellung noch auf die differenzierte Haltung des dargestellten Aktmodells an. Licht und Schatten verteilt die Künstlerin gleichermaßen auf Gegenstände und Mensch, so dass in den neueren Bildern die Aktmalerei unter völlig anderem Aspekt bildnerische Bedeutung erlangt. In diesen neuen Bildern ist das Motiv nur noch Anlass für den Bildaufbau und vorrangig Mittel zur formalen Spielerei. Diese Art der Darstellung ist ein Raumbild, das im Wesentlichen wieder die Farbe rot beinhaltet sowie mit Licht und Schatten variiert, aber niemals über perspektivische Linien Tiefe und Nähe als Räumlichkeit suggeriert. An den hier vorgestellten neuen >Bildern im Bild< ist ablesbar, wie Marlene Dammers mit Figur und Fläche jongliert und dabei wechselnde Schwerpunkte in den einzelnen Bildteilen setzt. Der lebendige Gestus, erhöht durch die Spontaneität in den Farbschichten und Formen, prägt diese neuen Bilder, die sicherlich Ausgangspunkt für die weitere künstlerische Entwicklung der Künstlerin sind.

Liebe Frau Dammers! Ihnen wünsche ich mit dieser Ausstellung in unserem Hause viel Erfolg.