Artikel Mönchengladbach 2025

Rheinische Post 17.02.2025


Bildende Kunst in Mönchengladbach
Slogans mit Kunst verfremdet und verborgen

Mönchengladbach · Marlene Dammers zeigt in der Galerie im Atelierhaus E71 unter dem Titel „Übergriffe/Vereinnahmungen“ Collagen, Decollagen und Übermalungen aus Vergangenheit und Gegenwart.

Marlene Dammers hat mit fast wütenden Pinselstrichen Werbeplakate übermalt.
Foto: Markus Rick (rick)

Von Sigrid Blomen-Radermacher

Man kann gar nicht nicht hingucken und das Lesbare zu lesen versuchen: „Es ist genug für alle da.“ Dieser Satz ist noch recht deutlich lesbar. Andere Aussagen weniger. „Hoffen auf mehr“, „überleben“ – das sind eher Satzfragmente. Aus den Buchstaben „ot/Welt“ lässt sich „Brot für die Welt“ vervollständigen – im Kontext der riesigen Gabel und Messer wird die Botschaft deutlich.

Zerfetzt, zerschnitten und wieder zusammengefügt und mit fast wütenden Pinselhieben in Grün und Rot teilweise übermalt, füllt das 250 x 350 Zentimeter große Plakat die Stirnseite der Galerie im Atelierhaus E71 fast vollständig aus. Es ist so groß, dass oben rechts die Bildecke mit der Decke kollidiert und leicht herabhängt.

Seit dem vorigen Wochenende zeigt Marlene Dammers unter dem Titel „Übergriffe/Vereinnahmungen“ Collagen, Decollagen und Übermalungen aus den vergangenen Jahren bis heute. Die beschriebene Decollage und Plakatübermalung „…Genug …da“ stammt aus dem Vorjahr.

Entdeckt hat Marlene Dammers das von Wind und Wetter derangierte Bild vor über 15 Jahren in Geneicken, wo sie es auflas und in ihrem Atelier aufbewahrte, um es später zu bearbeiten. Erschreckend ist die Aktualität, die das Werbeplakat für die Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ noch heute besitzt. Marlene Dammers hat das Bild nicht nur mit Farbe Bild bearbeitet, sie nahm auch weitere Abrisse des bereits natürlich derangierten Bildes vor. Dann kamen die Übermalungen, danach zerschnitt sie das Plakat in acht Teile, um es schließlich erneut zu bearbeiten.

Manche Werbung „triggert“ sie so sehr, sagt Dammers, dass eine Bearbeitung fast schon zwingend ist. Es begann mit der Werbung des Volkswagenkonzerns im Jahr 2000. Das Bild eines Geparden musste herhalten, um das VW-Modell Sharan mit Begriffen wie sportlich, schnell, elegant zu verbinden. „Perfide“ und „unverschämt“ fand Dammers die Werbung, schließlich sind Autos mit schuld an der Zerstörung der Lebenswelt genau dieser Tiere, die für die Werbung herhalten müssen. Die Unverschämtheit wurde für die Künstlerin auf die Spitze getrieben, indem der Gepard schützend hinter seinem Jungen gezeigt wurde und dazu der Slogan „Auch Sportwagenfahrer gründen mal eine Familie“ verwendet wurde.

Tiere, so Dammers, werden missbraucht für Werbezwecke. Sie versucht, die Würde des Tiers wieder herzustellen, indem sie mit ihrer Übermalung neue Akzente setzt. Das geschah 2002 zur Euroga auf einer Litfaßsäule auf dem Adenauerplatz – in einer Fotodokumentation in der Galerie im Atelierhaus zu sehen.

Menschen lassen sich ebenso für Werbezwecke vereinnahmen. Wenn eine Frau sich hergibt für Werbung, wenn sie sich mit Sätzen wie „Schüchterner Hase“ verbinden lässt, dann löst das bei Marlene Dammers Wut aus. Ein solches Foto muss sie aufbewahren, um es später zu bearbeiten. In dem Bild „Schüchterner Hase“ blickt ein Frauengesicht aus dem Bild, umrahmt von roten Farbflächen, die die Farbe ihres Lippenstifts aufgreifen. Wofür sie einmal warb, ist gar nicht mehr zu erkennen, sie geht förmlich in Farbe unter, so wie sie vielleicht auch in der Welt der Werbung untergegangen ist und sich verloren hat.

Nicht immer ist es die Wut über vereinnahmende oder unverschämte Werbung, die die Malerin antreibt. Manchmal ist es auch ein ungewöhnlicher Malgrund, der ihr angeboten wird. Wie bei den beiden Arbeiten aus der Serie „C&A“ aus 2002 und 2003. Die Kunststoffplakate mit der Lochleiste am oberen Rand, die den Eindruck erweckt, diese 180 x 120 Zentimeter große „Blatt“ sei mal eben aus einem Block gerissen, bekam Marlene Dammers angeboten – sie griff zu. Beide Plakate machen Werbung für Sportbekleidung mittels eines Läufers und einer Schwimmerin. Dammers künstlerische Intervention besteht aus einer Übermalung mit Acryl und Ölkreide, die auf die Kraft der Farbe setzt: Das Rot befeuert den Läufer, das Blau die Schwimmerin.